Manche Geschichten brauchen Jahre, bis sie erzählt werden können.
Vielleicht, weil das Herz Zeit braucht, um zu verstehen.
Dies ist eine solche Geschichte.

Meine Mutter – so jung sie auch war, als sie schwanger wurde – so sicher war sie in ihrem Entschluss, gegen alle Widerstände dieses Kind, mich, auf die Welt zu bringen.
Während ich zwei Abbrüche hinter mir habe, alles zerdacht habe bis in die letzte Zelle und lange geglaubt habe, dass ich es nicht schaffen würde, ein Kind halten zu können – so hat meine Mutter
es einfach gemacht.
Mit allem, was da war, mit all den tiefen Traumen im Körper, in der Seele, mit einer Beziehung, die zu dieser Zeit kaum hielt, auch wenn sie am Ende 18 Jahre bestand und mein Elternhaus war, für
das ich heute sehr dankbar bin.
Wir sind durch Schmerz, Abtrennung, Angst und Verzweiflung gegangen. Aber auch durch Freude, Nähe, Zusammenhalt und Liebe.
Wir gehen alle durch unsere Prozesse und Themen – egal, ob wir Kinder haben oder nicht. Nichts verschwindet mit einem Kind. Vielleicht werden manche Sachen leichter, andere schwerer.
Das Schwerste für mich als Kind war, dass meine Mutter emotional selten erreichbar war.
Mit der Trennung meiner Eltern zerbrach das Konstrukt, das bis dahin gehalten hatte.
Danach fiel jeder auf sich selbst zurück.

Alle taten ihr Bestes – aber oft reichte das nicht einmal für das eigene Leben.
Ich war zu jung, um das verstehen oder selbst halten zu können.
Die Verlorenheit meiner Eltern lebte in mir weiter.
Die Verlorenheit meiner Großeltern lebte in meinen Eltern.
Ein Ringen ums Überleben, ohne dass eine greifbare Gefahr zu sehen war.
Meine Mutter – sehr sensibel, wie so viele Menschen – und doch kein Raum, um es zu sein.
Sie fand Zugang in Spiritualität und Esoterik. Es berührte mich – und es war eine Verbindung zwischen ihr und mir: Reiki, Edelsteine, Tarotkarten, Duftöle, Bücher.
Eine Suche nach Antworten, nach etwas, das erfüllend war.
Doch im Außen fand es kaum Platz. Es öffnete mehr, als meine Mutter allein halten konnte – denn es war niemand da, der sie dabei begleitete.
Der Schmerz, nicht gesehen und nicht verstanden zu werden, verschloss sie wieder.
Die Wege waren schwer, schmerzhaft, oft einsam.
Unendlich viele Tränen flossen – für viele Generationen.
An der Front kämpft jeder für sich allein.
„Wenn du am Ende bist, fang von vorne an.“
Egal wie schwer es war, und egal wie sehr es in diesen Momenten die gelebte Wahrheit war – es gab mehr.
Etwas, das „weiß“.
Etwas, das führt.
Etwas, das im Vertrauen ist. Immer. Ob wir es wahrnehmen oder nicht.
Warum ich das weiß?
Weil es die Natur des Lebens selbst ist. Gelehrt hat es mich mein Weg.
Er führte mich zu den Pflanzen, in die Wälder, in den Dschungel – zu den Meisterpflanzen.
Zu unseren älteren Geschwistern, den Pflanzenwesen selbst, die schon so viel länger auf Mutter Erde leben.
Sie tragen Wissen in sich, das älter ist als jede menschliche Erinnerung.
Sie begleiten uns, lehren uns, heilen uns – wenn wir bereit sind zu lauschen.
Lange bevor ich das in der Tiefe verstand, hatte mein schamanischer Weg – der Pflanzenweg – schon begonnen.
Und während ich mich immer tiefer mit den Pflanzen verband, begann sich etwas zu verändern – auch zwischen meiner Mutter und mir.
Was lange verschlossen war, begann sich langsam zu öffnen.
Nicht mit großen Worten, sondern in kleinen Gesten, im Dasein, im Lauschen.
Auch wenn das Verhältnis zwischen meiner Mutter und mir schwierig war, blieb der Kontakt – und das regelmäßige Sehen – immer bestehen.
Nach meinem Umzug nach Berlin übernachtete ich regelmäßig bei ihr, während meine schamanische Ausbildung begonnen hatte.
Nach jeder Heilreise, Pflanzenzeremonie – und auch nach der Pflanzendiät im Dschungel von Peru – war bei meiner Mutter ein Raum, der empfing.
Ich erzählte ihr von meinen Reisen, Erlebnissen, Erfahrungen – und sie hörte zu.
Ich hatte oft keine Ahnung, was meine Mutter dabei dachte. Sie war nie ein Mensch, der über Gefühle sprach.
Aber sie war da. Und sie hörte mich.
Dann kam der Tag, an dem sie sagte, dass sie zu meiner Schamanin gehen würde.
Ein paar Monate später machten wir die erste gemeinsame Pflanzenzeremonie – und in mir löste sich ein altes Gefühl von Verantwortung, das ich für sie in mir trug.
Meine Mutter fand dadurch einen Weg, wie sie sich mit dem Leben, mit sich selbst und ihren Themen verbinden und auseinandersetzen konnte.
Sie fing an, sich zu öffnen. Die Rose von Jericho.
Und so wuchs eine neue Verbundenheit.
Eine andere Art von Vertrauen.
Eine Liebe, die wir bis dahin nie hatten leben können.
Etwa ein Jahr später flogen wir gemeinsam in den Dschungel nach Peru.
Es war herausfordernd, kraftvoll, berührend, schön.
Ich bin stolz. Sehr stolz auf sie.
Und zutiefst dankbar für den Weg der Pflanzen.
Für die Heilerinnen und Heiler, die uns mit Hingabe und Demut begleiten.
In einer Zeremonie sagte meine Mutter, wie dankbar sie sei, dass ihre Tochter sie wieder auf ihren Weg geführt hat.
Ich danke der Erde, unserer großen Mutter. Sie hat uns wieder zusammengeführt.
Und in der Liebe zu meiner Mutter wächst auch die Liebe, mir selbst mehr zu vertrauen.
Darauf zu vertrauen, selbst ein eigenes Kind lieben und halten zu können – egal, ob es kommt oder nicht.
Und so wie die Natur unermüdlich immer wieder aufs Neue ihre Blüten zum Vorschein bringt, so kann auch jede Liebe neu erblühen – und ihre eigenen Formen und Farben entfalten.
Ich freue mich auf die kommenden Jahre mit meiner Mutter.
Danke, Pachamama.
Danke, Mama Kakao.
Danke, liebe Mama – für deinen Mut, mich auf die Welt zu bringen und dieses Leben zu leben.
